Wie erfolgt die fachliche Kommunikation im Krankenhausalltag?
Die vorwiegende Kommunikation z.B. bei der Patientenübergabe erfolgt nach wie vor mündlich und ist in der Qualität sehr stark abhängig vom jeweiligen Ansprechpartner. Wenn er oder sie etwas vergisst oder verschweigt, wird es nicht beachtet.
Gibt es Situationen, in denen ihr euch überfordert fühlt oder die euch sehr belasten?
Die meiste Aufmerksamkeit und Zeit benötigen bei uns alte und demente Patienten. Diese Aufgabe ist gleichzeitig auch psychisch eine der größten Belastungen für uns.
Ein Beispiel: Wir werden zu einem dementen Patienten gerufen, der einen aggressiven Anfall hat. Er schlägt um sich. Meine Kollegin hält seine Hände fest. Da er versucht, mit dem Kopf weiter zu stoßen, drücke ich meine Hand gegen seine Stirn. Meine Kollegin ruft: „Das darfst du nicht. Nie den Kopf festhalten. Das ist auch versicherungstechnischen Gründen verboten.“ Ich nehme die Hand wieder weg und der Patient spuckt meine Kollegin an...
Im Gegensatz dazu sind Patienten, die selbstständig agieren können, für uns maximal 2 x am Tag zu sehen. Sie kommen und gehen relativ unbekannt.
Welchen Stellenwert hat Hierarchie in eurem Krankenhaus und welchen Stellenwert würdest du ihr geben?
Die Hierarchie im Krankenhaus ist nach wie vor sehr stark vertreten, und oft blockiert und hemmt sie eine effiziente Kommunikation.
Das hierarchische Denken ist auch bei den Patienten (besonders den Älteren) noch stark vertreten. Ein Beispiel: Bei der Visite spürt ein Patient die Unnahbarkeit und die Angespanntheit der Ärzte und ist still. Kaum sind die Ärzte gegangen, fragt er bei mir nach, weil er die Diagnose der Ärzte nicht verstanden hat. Auch ich habe keine Möglichkeit, bei den Ärzten nachzufragen, also gehe ich schnell auf den Flur und google nach der genannten Diagnose.
Euer Krankenhaus ist ein katholisches Krankenhaus. Hilft das im Alltag?
Ich bin katholisch erzogen und habe nichts gegen die katholische Kirche. Aber im Krankenhausalltag bedeutet das Thema Kirche oft einen unnötig erhöhten Arbeitsaufwand für das Personal und hemmt sogar eher die Behandlungen im Krankenhaus. Ein Beispiel: Eine 18-jährige Patientin hat Abtreibungstabletten eingenommen und wird als Notfall mit starken Beschwerden eingeliefert. In einem katholischen Krankenhaus wie unserem darf die Abtreibung nicht vorgenommen werden. Somit bleibt Sie bei uns, bis sie wieder trans- portfähig ist, um dann in einem anderen Krankenhaus in der Nähe abzutreiben.
Ein weiteres Beispiel: Ein Pfleger muss täglich in jedes Zimmer, um zu fragen, wer an der Abendmesse teilnehmen möchte. Der Grund: Er muss wissen, wieviel Hostien am Abend benötigt werden. Meiner Meinung nach sollte das Thema Kirche im Krankenhaus mehr in den Hintergrund gerückt werden. Es geht hier in erster Linie und den Menschen als Patient.
Ist Teamgeist bzw. Respekt im Team eine Selbstverständlichkeit?
Teamgeist herrscht innerhalb der Azubis oder innerhalb der Pflegekräfte, aber selten zwischen zwei Hierarchieebenen. Ein Beispiel: Das Pflegepersonal weiß am meisten über den Patienten, wird aber am wenigsten dazu befragt. Für mich ist das nicht logisch und lässt unser täglichen aufmerksamen Beobachtungen nah am Patienten als eher unwichtig erscheinen.
Nur wenige Ärzte nehmen sich die Zeit, mit einem Azubi oder Pfleger zu sprechen. Aber genau von diesen wenigen Ärzten lernen wir so viel. Sie beziehen uns von Anfang an fachlich mit in das Team ein und nehmen sich Zeit. Warum diese Ärzte sich diese Zeit nehmen können und andere nicht? Vielleicht, weil sie sich einfach besser organisiert haben und entsprechend belastbarer sind.
Wie wichtig ist Selbstmanagement und Zeitmanagement im Klinikalltag?
Selbstmanagement und Zeitmanagement im Krankenhaus ist sehr wichtig, aber leider in der Realität ein großes Problem.
Häufig werden OP-Termine wieder abgesagt, da der Patient aufgrund mangelnder oder falscher Informationen nicht richtig vorbereitet wurde. Hier wird sehr viel Zeit und Aufwand verschwendet.
Wie ist die Bereitschaft der Mitarbeiter, bestehende Mißverhältnisse zu optimieren?
Alle stöhnen über ihr Hamsterrad. Aber keiner hinterfragt es. Die Lösung heißt für viele mitmachen oder kündigen und den Beruf wechseln.
Kannst du deine Freizeit und dein Privatleben mit deinen Schichten gut verbinden?
Nein, das ist eine große Herausforderung. Viele Azubis brechen ihre Ausbildung aus dem Grund schon nach den ersten Monaten wieder ab. Das Problem: Die Arbeitszeiten im Krankenhaus isolieren dich von deinen bisherigem Freundeskreis. Die Schichten z.B. Frühschicht oder Nachtschicht gehen über 10 anstatt 5 Arbeitstage. Hast du dann frei und willst etwas unternehmen, sind Deine Freunde bei der Arbeit.
Wie weit ist Digitalisierung in deinem Krankenhausalltag schon fortgeschritten? Wie stehst du zu diesem Thema?
Die Digitalisierung erfolgt sehr langsam und ist für viele zunächst schwierig, aber sie ist aus meiner Sicht eine starke Erleichterung der Kommunikation und Transparenz. Allerdings sind die Systeme oft noch sehr fehleranfällig, und das Personal ist noch sehr unsicher im Umgang damit. Wir haben Angst, Informationen z.B. beim EKG für immer zu löschen.
Wie würdest du deine schulische Ausbildung als Azubi bewerten?
In unserer schulischen Ausbildung lernen wir sehr viel, auch auf psychologischer Basis im Umgang mit den Patienten. Die Schule macht sehr viel Spaß. Der Alltag im Krankenhaus eher weniger. Mit der Zeit härtet man ab. Für mich steht aber fest, dass ich diesen Job nach meiner Ausbildung nicht weiter machen werde. Arbeiten im Gesundheitswesen ist schon mein Ding. Aber nicht in einem Krankenhaus.
Hast du schon einmal von Wissensmanagement gehört?
Ja, klar. Das Thema Wissensmanagement ist im Krankenhaus allerdings noch sehr wenig etabliert. Gerade die hierarchisch denkenden Ärzte scheinen ihr Wissen lieber für sich zu behalten.
Vielen Dank für das Gespräch.